Spirulina (wissenschaftlich korrekt Arthrospira, bei der Gattung mit wissenschaftlichem Namen Spirulina handelt es sich um ein anderes fern verwandtes Cyanobakterium)[1] ist eine Gattung der Cyanobakterien (früher als „Blaualgen“ bezeichnet). Bis zu 35 Arten werden unterschieden (zum Beispiel Arthrospira platensis, Arthrospira fusiformis, Arthrospira maxima), es ist jedoch unklar, ob nicht diese 35 Arten möglicherweise doch alle derselben Art angehören, da Spirulina ihre Gestalt in Abhängigkeit vom Nährstoffgehalt und pH-Wert des Wassers ändert. Spirulina ist im Handel auch in der Kategorie „Mikroalgen“ als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich, dort meistens als A. platensis und A. maxima.[2]
Das Bakterium bildet mehrzellige, wendelförmige Mikrofilamente.[3] Die zylindrischen Zellen haben einen Durchmesser von etwa 1 bis 5 μm und eine Länge (Höhe) von etwa 1 bis 3 µm. Sie sind hintereinander angeordnet in langen, rechts- oder linkshändig wendelförmigen Filamenten mit einer Länge von 0,5 mm oder mehr und einem Wendeldurchmesser von 5 bis 40 μm. Das Längenwachstum der Filamente ist mit Zellteilung verbunden, ihre Vermehrung erfolgt durch Zerfall der Filamente.
Spirulina ist oxygen photosynthetisch und enthält nur Chlorophyll a, das auch bei Pflanzen vorkommt. Da Spirulina zu den Prokaryoten gehört, ist das Chlorophyll jedoch nicht wie bei den eukaryoten Pflanzen in organisierten Zellstrukturen, den Chloroplasten, lokalisiert, sondern es befindet sich in Membranen, die über fast die ganze Zelle verteilt sind. Spirulina erhält durch weitere Pigmente, die das Chlorophyll-Grün überlagern, einen grün-bläulichen Farbton.
Die Spirulina-Filamente bilden Decken wie andere fädige Cyanobakterien. Infolge der Alkalisierung durch Verbrauch von Kohlenstoffdioxid kann darin Calciumcarbonat abgeschieden werden. Man nimmt an, dass auf diese Weise so genannte Stromatolithen entstehen und auch in früheren geologischen Zeiten entstanden sind. Die ältesten bekannten Stromatolithen kommen in Gesteinsschichten vor, die vor über drei Milliarden Jahren im Präkambrium entstanden sind. Dies lässt vermuten, dass oxygen-photosynthetische, Kohlenstoffdioxid-assimilierende Mikroorganismen, möglicherweise Cyanobakterien, dazu beigetragen haben, die kohlenstoffdioxidreiche Ur-Erdatmosphäre mit Sauerstoff (O2) anzureichern, ihren Kohlenstoffdioxid-Gehalt zu vermindern und ihr so die heutige Zusammensetzung zu verleihen. Besagtes Ereignis wird als die Große Sauerstoffkatastrophe bezeichnet.
Spirulina kommt in stark alkalischen Salzseen (pH-Wert zwischen 9 und 11), aber auch in Süßwasser[4] vor, sie besiedelt flache, subtropische bis tropische Gewässer mit hohem Salzgehalt, vor allem in Mittelamerika, Südostasien, Afrika und Australien. Sie wurde schon seit alters her von den an diesen Gewässern wohnenden Menschen als Nahrung genutzt, zum Beispiel von den Kanembu am afrikanischen Tschadsee in Form von Dihe und am mexikanischen Texcoco-See (als Tecuitatl von den Azteken)[5]. An das Letzte erinnert noch heute die Sodakonzentrationsschnecke im Tal von Mexiko.
Zudem findet man Spirulina auch in der Erde.[2]
Spirulina-Biomasse wird in offenen und geschlossenen Aquakulturen bei einer Wassertemperatur von bis zu 37 Grad Celsius produziert. Das optimale Wachstum von Spirulina hängt wesentlich von der zur Verfügung gestellten Menge an Kohlenstoffdioxid (CO2) ab. Daher wird den Aquakulturen neben dem Kohlenstoffdioxid, das aus der Luft in die Kultur gelangt, zusätzlich CO2 aus verschiedenen Quellen zugeführt. So wächst Spirulina nicht nur schneller, sondern produziert auch wesentlich mehr Sauerstoff. Zur Ernte pumpt man die Kultur durch einen Filter oder eine Durchlaufzentrifuge und trocknet anschließend die so gewonnene Biomasse mit Heißluft oder im Sonnenlicht. Die getrocknete Biomasse wird zum Vertrieb meist zu Tabletten gepresst, in Kapseln eingeschlossen oder pulverisiert.[6]
Die Trockenpräparate enthalten durchschnittlich:[7]
In den Proteinen sind alle essentiellen Aminosäuren enthalten. Außerdem sind β-Carotin – eine Vorstufe des Vitamin A –, B-Vitamine und Vitamin E (2,8–12,5 mg / 100 g)[2] enthalten sowie in hohen Konzentrationen Calcium, Eisen und Magnesium.[7] In Aquakulturen wurde Vitamin C nicht nachgewiesen, eventuell liegt dies allgemein an der Trocknungsmethode.[2]
Spirulina enthält – bezogen auf den analytisch ermittelten hohen Gesamtwert von 127–244 μg/100 g Trockengewicht – zu etwa 83 %[2] eine unwirksame Form des Vitamins („Pseudovitamin B12“, „Vitamin-B12-Analoge“, Co-α-[α-(7-adenyl)]-Coβ-cyanocobamid), bei etwa 17 % handelt es sich um die vom Menschen verwertbare Vitamin-Form.[8][9] Es ist unklar, ob die in Spirulina vorkommende verwertbare Form des Vitamin B12 überhaupt aufgenommen wird (Bioverfügbarkeit).[10] Studien 1991 und 1999 mit Kindern, die ein Vitamin B12-Defizit aufwiesen, zeigten, dass nach Gabe von Spirulina zwar der Blutspiegel an messbaren Cyanocobalaminen anstieg, die Krankheitssymptome jedoch nicht verschwanden.[11][12]
Von Spirulina als Vitamin B12-Quelle, insbesondere für Veganer, wird daher abgeraten.[9][8]
Eine Studie von 2010 zeigt – ohne Verwendung von Cyaniden bei der Extraktion – bei HPLC und Chemilumineszenz-Assay-Methoden Methylcobalamin-Konzentrationen von 35,7–38,5 μg/100 g in Spirulina.[13]
Ein Problem bei der unkontrollierten Produktion in offenen Systemen (wie z. B. Seen) ist eine Kontamination mit Grünalgen und anderen Cyanobakterien, auch AFA-Algen.[9][2] Die von Cyanobakterien produzierten Cyanotoxine wie Anatoxin A konnten in Produkten nachgewiesen werden (bis zu 11 µg/g). Aber auch das lebertoxische Microcystin war in zahlreichen Produkten enthalten (bis zu 0,84 μg/g), da diese mit Microcystis flos-aquae kontaminiert waren.
Inzwischen wird Spirulina aber auch aus geschlossenen, kontrollierten Systemen wie Photobioreaktoren angeboten, was nicht nur die Produktivität erhöht, sondern auch eine Kontamination minimiert.
Spirulina vermag Schwermetalle wie Blei anzureichern.[2] Was bei der Reinigung von Gewässern vorteilhaft sein kann, muss bei der Kultivierung beachtet werden. So wurde der Grenzwert von 3 mg/kg Blei bei 5 von 13 auf Spirulina basierten Produkten überschritten. Der Gehalt an Nickel hat bei anderen untersuchten Produkten einen höchsten Wert von 4,67 mg/kg. Dagegen waren bei verschiedenen Messungen Arsen, Quecksilber und Cadmium innerhalb akzeptablen Grenzen.
Der europäische Grenzwert von 50 µg/kg von Σ 4 {displaystyle Sigma _{4}} PAH (Summe der Mengen von Benzo[a]anthracen, Benzo[a]pyren, Benzo[b]fluoranthen sowie Chrysen) wurde bei wenigen Spirulina-Produkten überschritten (56 bis 84 μg/kg).[2] In einem Trockenpulver lag dieser sogar bei 275,2 μg/kg.
Jährlich werden etwa 3000 Tonnen Rohmasse Arthrospira platensis aus kommerziellem Anbau als Nahrungsergänzungsmittel verkauft.[14] Spirulina ist in Deutschland wie auch die Süßwasseralge Chlorella in Form von Pulver oder Tabletten als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich und wird in (Bio-)Lebensmitteln als nährstoffreiche Zutat verarbeitet (Nudeln, Fruchtriegel, Getränkepulver etc.). Spirulina ist auch Bestandteil vieler Fischfutter und einiger Katzenfuttermittel. Andere Verwendung findet man in der Biotechnologie und in der Biotechnik, wo Spirulina unter anderem als Biokatalysator in Fermentationsprozessen und zur Energiegewinnung verwendet wird.
Bei Spirulina-Produkten als Nahrungsergänzungsmittel wird der Eiweißgehalt und Vitamin B12-Gehalt ausgelobt. Die Dosis, die über Nahrungsergänzungsmittel bei Einnahme der höchsten empfohlenen Dosis aufgenommen wird, ist jedoch so gering, dass sich die ergänzende Eiweißzufuhr in der Regel kaum bemerkbar macht. Das manchmal gesondert ausgezeichnete Chlorophyll findet sich in jedem Lebensmittel mit grünen Pflanzenteilen.[15] Die Auslobung von Vitamin B12 gilt als irreführende Werbung, wenn mit krankheitslindernden Effekten geworben wird.[16]
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit kam nach Auswertung der vorgelegten Studien von Herstellern zu dem Schluss, dass Spirulina-Kapseln keine Auswirkung auf die Glucose-Konzentration im Blut bei Diabetikern besitzen. Nach der Health-Claims-Verordnung dürfen die Nahrungsergänzungsmittel diesbezüglich nicht mehr beworben werden.[17]
Aus dem konzentrierten Pulver der Spirulina wird auch der Farbstoff Spirulina Blau (Phycocyanin) gewonnen. Es ist der einzige natürliche blaue Farbstoff für Lebensmittel. Grundlage hierfür ist Arthrospira platensis. Als Lebensmittel-Farbstoff wird Spirulina schon seit dem Jahr 2000 eingesetzt. Eine größere Bekanntheit hat der Farbstoff jedoch erst 20 Jahre später erlangt. Das hängt mit der Entscheidung eines großen deutschen Fruchtgummiherstellers zusammen, auch blaue Gummibärchen anzubieten. Das war neunzig Jahre lang daran gescheitert, dass der Süßwarenhersteller zum Färben seiner Gummibärchen nur natürliche Farbstoffe verwendet. Bis zur Einführung von Spirulina gab es jedoch keine entsprechenden blauen Farbstoffe[18]. Mit Spirulina-Pulver lassen sich blaue Farbtöne und in der Mischung mit Saflor auch grüne erzielen.
Spirulina wurde 1974 von der WHO als „Bestes Nahrungsmittel der Zukunft“ bezeichnet.[19] Die FAO erinnerte 2008 an die Bedeutung von Spirulina und forderte alle Nationen auf, den Anbau weiterzuentwickeln und zu intensivieren.[20] Die Vereinten Nationen haben die Organisation IIMSAM gegründet, die den Anbau von Spirulina weltweit zur Bekämpfung von Hunger und Unterernährung fördert.[21]
Studenten der Technischen Universität Israel in Haifa haben eine neue Falafel-Art, die Algalafel aus Spirulina entwickelt. Damit gewannen sie 2018 den ersten Preis des Wettbewerbes des Europäischen Instituts für Innovation und Technologie.[22]
In der Alternativmedizin werden Spirulinapräparaten mögliche Effekte gegen Krebs, Viren und Allergien nachgesagt.[23][24] Für alle nachgesagten Wirkungen fehlen jedoch aussagekräftige wissenschaftliche Belege.[25]
Diversen Studien zufolge soll Spirulina bei Asthma, Allergien, Diabetes oder sogar chronischen Schmerzen helfen, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken oder beim Abnehmen helfen. Aufgrund gravierender Mängel sind die Ergebnisse dieser Studien jedoch nicht vertrauenswürdig.
Die Anwendung von Spirulina-Präparaten senkt möglicherweise die Cholesterin-Konzentration im Blut. Bei den durchgeführten Studien traten jedoch nur geringe Effekte zu Tage, die jeweilige Anzahl der Probanden bei den Studien war zu gering oder das Studiendesign schlecht, so dass bislang wenig verwertbare Ergebnisse vorliegen.[26]
Das Hauptproblem für eine wissenschaftliche Aussagekraft der durchgeführten randomisiert-kontrollierten Studien liegt im Design und die Methodik, so dass beispielsweise der Vergleich zwischen beiden Gruppen fehlerbehaftet ist.[25] Häufig sind die Untersuchungen mangelhaft durchgeführt worden.
Tierexperimentell wurde eine immunmodulierende Wirkung von Spirulina u. a. bei Allergien als Mastzellinhibitor beobachtet – Spirulina soll die Freisetzung von Histamin aus Mastzellen hemmen.[27][28]
Spirulina (wissenschaftlich korrekt Arthrospira, bei der Gattung mit wissenschaftlichem Namen Spirulina handelt es sich um ein anderes fern verwandtes Cyanobakterium) ist eine Gattung der Cyanobakterien (früher als „Blaualgen“ bezeichnet). Bis zu 35 Arten werden unterschieden (zum Beispiel Arthrospira platensis, Arthrospira fusiformis, Arthrospira maxima), es ist jedoch unklar, ob nicht diese 35 Arten möglicherweise doch alle derselben Art angehören, da Spirulina ihre Gestalt in Abhängigkeit vom Nährstoffgehalt und pH-Wert des Wassers ändert. Spirulina ist im Handel auch in der Kategorie „Mikroalgen“ als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich, dort meistens als A. platensis und A. maxima.